Eigentlich begann alles damit, dass meine Eltern einen
Bauernhof haben, auf dem seit Generationen Pferde gezüchtet werden. Unser
Hof mit Milchvieh, Pensionspferden und Meerschweinchen liegt in Ahrenlohe
in Schleswig-Holstein und natürlich werden hier Holsteiner gezüchtet.
Angefangen hat meine Reiterei mit einem Pony. Auf Siri lernten bei uns
alle Kinder das reiten. 1981, als ich 6 Jahre alt war, bekam Siri ein
Fohlen, das war Monty.
Monty hat schon auf der Hengstweide den Junghengsten klar gemacht, wer der
Chef ist, so dass ich dann, als er endlich zweieinhalbe geworden war, und
ich ihn endlich reiten durfte, so einige Male im Sand gelegen habe. In
meinen ersten Reitstunden spielte sich dann immer wieder das gleiche ab:
Alle Ponys trotteten artig in der Runde bis etwas "besonderes"
geschah, z.B. ein Pony einen sausen ließ. Das war wie ein Startsignal:
Alle Ponys düsten los, so dass die folgenden 15 Minuten damit verbracht
wurden, alle Reiter wieder auf das Pferd zu bringen. Dabei war ich von
Monty immer schier begeistert, weil er wenigstens stehen blieb, wenn ich
unten lag.
Freitagabend war immer Reitunterricht bei meinem Vater angesagt. Dazu
traten in der Regel meine beiden großen Brüder Harm und Niels und ich
an, manchmal auch schon mein kleiner Bruder Melf mit seinem Schaukelpferd.
<<! Bild Freitagsreitstunde - rechts !!>>
Im Laufe der Zeit wurden die ersten braunen Schleifen gesammelt. Die
Farben der Schleifen wurden mit der Zeit farbenfroher. Und von 1986 an kam
es dann immer häufiger zum Duell zwischen Niels, der ein Jahr älter ist
und mit Siri an den Start ging, und mir. Eigentlich belegte er immer Platz
eins in der Jugendreiterprüfung und ich "nur" Platz zwei.
<<! Bild Monty&Siri !!>>
Später ging es dann an die E-Dressur. Hier wollte sich ein Erfolg nicht
recht einstellen, immer wieder stand im Protokoll "Wertnote
gemindert, da das Pony hinter der Senkrechten geht". Bis ich mein
Training änderte. Ich übte einfach weniger das sture Dressurreiten,
stattdessen trieb ich täglich ohne Sattel die Kühe von der Weide in den
Stall. Zum Turnier wurde dann mal wieder gesattelt, und da Monty die Woche
über vergessen hatte was eigentlich am Zügel gehen heißt, trug er seine
Nase auch nicht mehr zu tief und es gab eine Schleife.
Mit dem Springen war es zu Ponyzeiten so eine Sache, während Siri durch
die Pacoure flitzte, war Monty nur mittelmäßig von dieser sportlichen
Betätigung zu begeistern. Die Sache führte schließlich so weit, dass
mein Vater mich darum bat darauf zu verzichten mit Monty E-Springen zu
reiten, da unsere Erfolgschancen gleich 0 waren. Kein Wunder also, dass
eine grüne Schleife einen ganz besonderen Platz erhielt, es war meine
einzige Springplatzierung mit Monty.
1988 trug es sich nun zu, dass wir einen 2-jährigen Hengst hatten, von
Renommee aus einer Follywise xx Mutter. Ich konnte es kaum abwarten, dass
er endlich kastriert wurde und ich ihn täglich longieren durfte. Beim
Einreiten durfte ich gleich ab dem dritten mal mein Glück zukünftig
selbst versuchen.
Das wahr wahrlich etwas anderes als mein M-Pony. Vor dem Reiten habe ich
immer ablongiert, problematisch daran war jedoch, dass ich täglich länger
longieren musste, bis ich mich draufsetzen konnte. Mit dem an den Zügel
stellen klappte es zuerst gar nicht so recht. In meinem Kalender strich
ich mir immer wieder einen neuen Termin an, bis wohin es mir gelingen
sollte. Manchmal dachte ich, wenn er müde ist, lässt er vielleicht die
Nase fallen. Nachdem ich dann Runde für Runde auf einem Acker gedreht
hatte, stellte ich allerdings fest, dass ich im Irrtum war. Runde für
Runde wurde er schneller. Dieser Kampfgeist brachte ihm später auch
seinen Spitznamen "Raketen-Reno" ein. <<! Bild Raketen
Reno !!>>
Während ich nun mit Reno fleißig am üben war, und auch das Springen
erfolgreicher wurde als noch zu Ponyzeiten, wuchs so langsam Renos
Schwester Rica heran. Sie war genau ein Jahr jünger und stammte von
Ricardo ab. Auch sie war schlicht braun, ohne jegliches Abzeichen, genauso
wie ihr Bruder und ihre Mutter.
3-jährig galt es nun Rica ein zu reiten, was ich inzwischen auch schon
ganz alleine durfte.
Mit 3 Jahren erhalten unsere Pferde ihren "richtigen" Namen mit
dem sie bei der Stuteneintragung vorgestellt werden und bei der FN als
Reitpferd eingetragen werden. In jenem Jahr war der Buchstabe B an der
Reihe. Da ihre Mutter Liebliche hieß, sollte Rica nun Brillante heißen.
Dabei ist zu beachten, dass brillant zwar ohne i hinter dem doppelten l
geschrieben wird, weil mir das bis dahin jedoch noch nicht bekannt war,
heißt Brilliante jetzt Brilliante. Leider haben die Journalisten damit
arg zu kämpfen, sie beherrschen die Rechtschreibung einfach zu gut. So
dass immer mal wieder Brillante zu lesen ist.
Beim Stutenleistungstest hatte ich zum ersten Mal Lederreitstiefel an. Ich
hatte sie mir geliehen, schließlich war es das erste Mal, dass ich gegen
Profis antrat. Das Freispringen von Brilliante an diesem Tag werde ich nie
vergessen, und ich glaube, jeder andere, der es gesehen hat kann sich auch
noch mit Schmunzeln daran erinnern. Es standen ungefähr zehn Personen in
der Reitbahn, und trotzdem gelang es Brilliante zwei mal unaufgefordert in
die Kombination hinein zu traben und den Oxer zu springen. Dabei landete
sie einmal mit der Hinterhand direkt auf der Oxerstange und ich dachte
schon jetzt wäre die Note dahin. Aber als ob Brilliante das zu ärgern
schien, steuerte sie im Trab die Absperrung an, die gewiss nicht niedrig
war und nur drei oder vier Meter von der Wand entfernt stand, überwand
diese, machte auf dem Absatz kehrt und sprang noch fehlerfrei die gesamte
Kombination. Ich glaube da war die Note von 10,0 schon o.k.
In diesem Jahr ging Brilliante erfolgreich in Materialprüfungen und wurde
vom Hengst Carthago, der Damals ebenfalls erst 3-jährig war, gedeckt.
Ein Jahr später war Rica kaum wiederzuerkennen. Nachdem sie abgefohlt
hatte, glaubte ich, nie wieder Dressur mit ihr reiten zu können, so eine
spitze Kruppe und dicken Hängebauch hatte sie. Ihr Hengstfohlen wurde prämiert
und wuchs bestens heran. Die folgende Zeit war recht problematisch.
Brilliante machte nicht immer was ich verlangte. Ausreiten konnte ich
eigentlich gar nicht, denn sobald wir an die Stutenweide kamen, blieb sie
stehen, und wenn ich das Fohlen auf dem Hof eingesperrt hatte, konnte ich
den Hof nicht ohne Steigen verlassen. Sie ist bis heute mit Leib und Seele
eine Mutter.
Es kam auch schon mal vor, dass ich auf dem Springplatz ritt und sie Runde
für Runde galoppierte und nicht wieder anhalten wollte. Reno durfte mein
Bruder Niels von nun an reiten, denn ich hatte ja jetzt Brilliante. Das
war eine tolle Zeit, in der wir zusammen loszogen. Wir konnten ja immer
die gleichen Prüfungen reiten: Springpferde-A, Dressurprüfungen Kl. A
und Springprüfungen Kl. A.
Dabei hatten wir oft die gleichen Probleme, z.B. die Bremse unserer Pferde
zu finden. Aber in der Platzierung waren wir fast immer.
Im Sommer 1994 kam ich dann zum ersten Mal mit dem Vielseitigkeitssport in
Berührung. Niels und ich wollten unseren Pferden einmal etwas anderes
bieten als nur Dressur und Springen, deshalb nahmen wir an einem Lehrgang
im Süseler Baum nahe der Ostsee teil. Es war schon erstaunlich, was die
Pferde in dieser Woche alles lernten. Negerküsse und Bananen als
Besondere Belohnung für den Reiter bzw. das Pferd trugen dazu bei.
Seither liebt Brilliante Bananen. Nur mit dem Wasser konnte sie sich
einfach noch nicht so recht anfreunden. Am letzten Tag durften wir uns
selbst einen Geländekurs überlegen und absolvieren. Dieser wurde dann
bewertet. Niels und Reno hatten sich einen schweren Kurs ausgedacht und
hatten eine Superrunde. Meine Runde war dann weniger gelungen. Nachdem wir
mit Müh und Not in das erste Wasser kamen, wollte Rica im zweiten Teich
einfach nicht mehr vom Billard herunter in das Wasser zurück. Wir haben
wohl Minuten dort oben gestanden, bis sie ging.
Im Folgejahr ging es dann wieder ungefähr genauso los. Ich hatte mich
dazu entschieden mal eine A-Vielseitgkeit zu reiten. Im März trafen wir
uns zum Üben mit Herrn Scheunemann in Heist. Auch hier zeigte Rica sich
nicht gerade wasserbegeistert. Ich glaube, sie hatte einfach Angst. Denn
in der Marsch, wo unsere jungen Pferde ihre Sommerzeit verbringen, sind
die großen Weiden mit Weddern abgetrennt (breite Gräben).
Die folgenden Wochen bin ich dann mit Rica durch das Gelände spaziert und
habe Pfützen gesucht. Manchmal ist sie wohl ungefähr fünfzig mal über
eine Pfütze drüber gesprungen, bis sie es wagte, auch mal in die Pfütze
hinein zu treten. Die Mühe schien sich zu lohnen, jedenfalls konnten wir
in Negernbötel einen vierten Platz in der A-Vielseitigkeit erringen. Dann
ging es immer einmal bergauf und bergab. Jede zweite Prüfung waren wir
gut. So konnten wir in diesem Jahr das Nachwuchschampionat von Schleswig
Holstein gewinnen. Aber mein Traum, am Landeschampionat für Geländepferde
teilzunehmen, konnte ich mir nicht erfüllen. Denn Voraussetzung hierfür
war die Beendigung einer Geländepferdeprüfung KL. L mit einer Wertnote
von mindestens 5,0. Und wie es der Zufall es so will, hatte ich bei jeder
Sichtung eine Verweigerung. An der letzten Sichtung in Badendorf konnte
ich dann selbst nicht teilnehmen, da ich wegen eines Schüleraustausches
in Nord-Irland war. Schweren Herzens bat ich Niels sie dort zu reiten.
Aber auch er hatte nicht mehr Glück (mal wieder das Wasser!).
In jenem Jahr bin ich natürlich auch viel Dressur- und Springprüfungen
mit Rica geritten, so gelang uns z.B. bei unserem ersten Start in einer
Springpferdeprüfung KL. M gleich eine Platzierung. Im Herbst wurde ich
dann zum ersten Mal zu einem Lehrgang vom Landesverband eingeladen. Wir
durften zwei Weichen bei der Familie Rüder auf Fehmarn verbringen. Hier
habe ich gelernt, dass man zum Geländetraining eigentlich gar keine Geländesprünge
benötigt. Man nehme einfach was da ist: Ostsee, Gräben zwischen Feldern,
Autobahnbrücken, aufgeschüttete Hügel oder eine Weide mit
Kaninchenlöchern. Und wenn man in einem Pult von 20 Pferden unterwegs ist
und Herr Rüder vorneweg reitet, bleibt sowieso kein Pferd mehr stehen.
1994 stand mir nun das Abitur bevor. Schriftlich wurde ich in meinem
Leistungskursfächern Wirtschaft und Englisch geprüft. Mündlich
entschied ich mich für Spanisch, spanische Vokabel lassen sich gut zu
Pferde lernen. Brilliante widerspricht mir wenigstens nicht, wenn ich sie
falsch ausspreche. Mein Ziel waren 12 Punkte in der Mündlichen, das war
genau errechnet, dann würde ich einen Schnitt von 2,5 erreichen. Meine
Lehrerin stellte mir noch eine Woche vorher jedoch nur 9 Punkte in
Aussicht. Und sie hatte recht. Ich hatte viel Zeit mit Rica verbracht und
auch in diesem Jahr waren junge Pferde ein zu reiten gewesen. Also
verbrachte ich eine Woche am Schreibtisch ohne ein einziges Pferd
anzusehen uns es lohnte sich.
Während dieser Zeit wuchs ich so langsam in die Vielseitigkeitsreiterei
hinein. Unser Landestrainer Herr Peper empfiehl mir in Hannover eine Lange
Vielseitigkeit KL. L zu reiten. Zusammen mit Niels machte ich mich auf den
Weg. Nachdem wir jede Autobahn von Hannover einmal ausprobiert hatten,
kamen wir gegen Mitternacht am Turnierplatz an. Am nächsten Tag durfte
ich zusammen mit Herrn Peper und den anderen Holsteiner Buschis die
Rennbahn und die sogenannte Q-Strecke abgehen. Dort erfuhr ich, dass es so
etwas wie Minutenpunkte und eine Geländeuhr zur Überprüfung der Punkte
während des Ritts gab. Herr Peper half mir mit seiner Stoppuhr aus. Rica
war allerdings mal wieder nicht so wasserbegeistert, und ich hatte einen
Stop. Trotzdem fuhren Niels und ich ganz beflügelt nach Hause. So hatte
Nies doch beobachten können. Dass sich Karsten im Springen einmal
vermeterte, ausgerechnet jener, der mir in Schenefeld noch Unterricht
angeboten hatte nachdem mir dort das gleiche geschehen war und ich todunglücklich
darüber gewesen war. Außerdem bekam ich von Herrn Peper die Erlaubnis,
am Bundeswettkampf in Wiesbaden teilnehmen zu dürfen.
In Wiesbaden gingen für Schleswig-Holstein Stefanie Hendeß, Jürgen
Mohr. Karsten Witt und ich an den Start. Wir konnten den dritten Platz mit
der Mannschaft erringen. Überglücklich fuhr ich wieder nach Hause, Rica
war einfach toll gegangen.
In
diesem Jahr gelang es mir dann auch recht erfolgreich an Geländepferdeprüfungen
teilzunehmen. Brilliante konnte sich für das Bundeschampionat des Geländepferdes
qualifizieren. Das Championat sollte aus einer Eignungsprüfung und einer
Geländeprüfung bestehen. Deshalb übte ich fleißig Dressur und zwar
besonders das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen, was am Ende auch schon
ganz gut klappte. Leider nutzte mir das nichts, da ich in der Prüfung in
Warendorf im entscheidenden Moment mit dem Fuß aus dem Bügel rutschte,
und Rica der Bügel um die Ohren flog. Verständlicherweise war ihre Vorwärtsabwärtsdehnung
damit beendet. Es reichte trotzdem noch für Platz vier in der Dressur. Am
folgenden Tag hatte ich zur Abwechslung mal wieder einen Stop am Wasser,
kam aber trotzdem in das Finale. Dort ging Rica dann fantastisch. Ich war
so begeistert, dass ich gar nicht recht merkte, dass das Tempo vielleicht
schon etwas hoch war, so dass uns in einer Kombination mit zwei Galoppsprüngen
leider nur einer gelang. Davon war Herr Plewa, der mich zu richten hatte,
dann natürlich nicht so begeistert. Im Endeffekt wurde Brilliante dann
vierte. Welch ein Glück, denn bei der Ehrung der ersten drei goss es in
strömen.
Mein Nächstes Ziel war nun die Landesmeisterschaft der Vielseitigkeit in
Husum im Oktober. Dafür machte ich allmorgendlich mein Galopptraining.
Rica musste kräftig arbeiten.. Ich hatte mir extra einen schön tiefen
Acker ausgesucht. Herr Hansen, der sich zu Hause um unsere Pferde kümmert,
schaute jeden Morgen besorgt nach Brilliante "ob sie noch lebe".
Die Erfahrung, dass mein Training vielleicht wirklich nicht gerade ideal
war, habe ich dann in Husum machen können. Das Einreiten in das
Dressurviereck gelang mir noch, das Halten bei X dann nicht mehr.
Eigentlich betete ich während der gesamten Aufgabe nur, dass es uns
gelingen möge, im Viereck zu bleiben. Die Hufschlagfiguren waren nicht
mehr als solche zu erkennen. Anschließend konnten wir uns dann nur noch
vorarbeiten. Am Geländetag war Rica voll in ihrem Element. Eigentlich
wollte ich vor der Rennbahn die Bügel noch ein Loch kürzer schnallen. Es
gelang mir jedoch nicht, da ich wohl nicht in der Lage gewesen wäre,
Brilliante auch nur für ein paar Sekunden mal mit nur einer Hand zu
halten. Nach der Rennbahn ging des noch so ca. einen Kilometer im
gestreckten Galopp weiter, bevor es mir gelang sie zum Trab zu parieren.
Im Gelände war sie entsprechend begeistert, und am Sonntag ging ich als
erstes zu Herrn Peper, um ihn zu fragen, ob man das Springen auch ohne
Sporen reiten darf - Fehlanzeige!
Die Herbstferien in diesem Jahr nutzte ich, um die Prüfung zum Reitwart
zu absolvieren. Der Lehrgang und die Prüfung fanden unter der Leitung von
Herrn Peper im Landgestüt in Traventhal statt. Ich glaube, es verging
fast kein Tag, an dem ich nicht unglücklich war. Herr Peper hatte eine
Menge an mir zu kritisieren und sagte dieses Pferd könne eigentlich jede
Dressur gewinnen. Das Schlimmste daran war, dass ich wusste, er hatte
recht.
Gleich im Anschluss begann ich mit meiner Ausbildung. Zuerst hatte ich
mich schon in der Hamburger Uni für Betriebswirtschaftslehre
eingeschrieben. Aber dann entschied ich mich doch für die Nordakademie in
Elmshorn. Dort hatte ich zwar Studiengebühren zu zahlen, da ich jedoch
meine Praxissemester im Unternehmen absolvierte, bekam ich auch
Ausbildungsvergütung, mit der ich die Studiengebühren zahlen konnte. Die
Arbeit im Büro gefällt mir gut, aber trotzdem bin ich froh, wenn ich
abends nach Hause komme und noch mehrere Stunden im Stall verbringen kann.
Der Winter von 1994 auf 1995 war wohl der grausamste von allen. Ich kam
einfach nicht richtig mit Rica zurecht, und ich wusste nur zu gut, dass es
ganz allein mein Problem war. Schon immer hatte ich Probleme, einfach nur
gerade auf dem Pferd zu sitzen und meine Hilfen völlig unabhängig zu
geben. Immer wieder knicke ich in der Hüfte ein, belaste den falschen Gesäßknochen
und mache es meinem Pferd so nur unnötig schwer. So kam es dann, dass
Rica gar nicht mehr recht durchs Genick gehen mochte. Wochenlang liefen
mir jedes Mal schon bevor ich aufs Pferd stieg die Tränen über das
Gesicht..
Hinzu kam, dass ich wusste, dass Herbert meine Stute gerne reiten würde.
Ich war mir bewusst, dass mir mit meinen mäßigen reiterlichen Fähigkeiten
eigentlich gar nicht so ein gutes Pferd wie Brilliante zustand. Aus
Vernunftgründen hatte ich mich dann schon dazu durchgerungen sie
abzugeben, zumal mir doch viele, die ich um Rat fragte, dazu rieten.
Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, dass sie an mich
geglaubt haben und gesagt haben, ich dürfte Brilliante behalten und es wäre
nicht schlimm, wenn sie bei mir nicht so erfolgreich werden würde. Mein
Vater hat mir dann auch beim Dressurreiten weitergeholfen. Ich habe genau
befolgt, was er gesagt hat und mich voll auf meinen Sitz konzentriert. Die
Hände habe ich ganz still gehalten, damit Rica wieder Vertauen zum Zügel
bekam. Und so ganz allmählich wurde es wieder besser. Im Winter habe ich
bei Werner Peters am Springtraining, zu dem vom Kreis Reiterbund Pinneberg
jährlich Junioren und Junge Reiter eingeladen werden, teilnehmen dürfen.
Zu dieser Zeit habe ich auch meinen ersten Lehrgang bei unserem
Bundestrainer Horst Karsten in Luhmühlen gehabt. Als ich nach Hause fuhr,
standen mir mal wieder die Tränen in den Augen.
Auf Turnier war meist der Kummer wieder vorüber. Brilliante präsentiert
sich einfach immer gut. So kann ich beim Springen anstellen was ich will,
sie geht eigentlich immer fehlerfrei. 1995 konnte ich in mehreren
M/B-Springen Siege und Platzierungen erreichen, und einmal bin ich auch
M/A geritten und wurde dritte.
Gleich zu Anfang der Saison 1996 beschloss meine Mutter, dass es
vielleicht doch an der Zeit wäre, eine Geländeweste zu kaufen. Bis zu
diesem Zeitpunkt war ich noch nie gestürzt. In Negernbötel trug ich die
Weste zum ersten Mal und fiel prompt ins Wasser. Rica hat mir dabei
versehentlich auf die Schulter getreten. Als Vater und ich nach Hause
kamen, (eine Unterhose hatte ich mir von Kirsten Thomsen geliehen) und zu
Hause von dem Unfall berichteten, kommentierte meine Mutter besorgt;
"Wir hätten die Schulterpolster eben auch nehmen sollen." Am
folgenden Wochenende sind wir dann jedenfalls noch einmal nach Negernbötel
gefahren und ich habe ungefähr zwanzig Mal geübt ins Wasser zu springen
ohne nach Vorne über zu fallen.
Nachdem ich mich in Schenefeld bei meiner ersten Kurz- M fast verritt,
aber Brilliante ansonsten super ging, durfte ich mit zur Deutschen
Meisterschaft nach Burg Eltz. Glücklicherweise lernten wir Frau Hatlapa
kennen, die mit Merlin Österreichs erfolgreichste Dressurreiterin ist.
Sie erklärte sich bereit, mir bei meinen Dressurmäßigen Problemen zu
helfen. Plötzlich hatte ich unwahrscheinlich Spaß am Dressurreiten. Wir
übten viel an meinem Sitz und daran, Rica zu mehr Gelassenheit zu
bringen. Frau Hatlapa weiß immer ein paar aufmunternde Worte, wenn ich
mich selbst schon aufgegeben habe.
Bild Caroline Hatlapa
Bei der Deutschen Meisterschaft für Junge Reiter gelang uns ein vierter
Platz, so dass ich eine Einladung zur letzten Sichtung für die
Europameisterschaft erhielt. In Heroldsbach ging Rica dann ganz schön in
der Dressur, aber ins Wasser wollte sie partout nicht springen. 3 x Stop
war das Ergebnis. An diesem Tag habe ich meiner Stute das erste Mal etwas
energischer klar gemacht, dass sie mir ruhig vertrauen kann bezüglich des
nassen Elements. Am Nachtmittag, als die Prüfung beendet war, bin ich mit
der Dressurgerte noch einmal zum Wasser geritten und plötzlich war der
Bann gebrochen..
Nicht so ganz glücklich haben wir dann am Sonnabend schon die Heimriese
angetreten. Trotzdem durfte ich am Vorbereitungslehrgang für die Euro
teilnehmen.
Leider reichten meine restlichen Urlaubstage jedoch nicht mehr, da ich im
Frühjahr schon zwei Wochen Lehrgang bei Herrn Peper hatte und auch die DM
eine Woche Urlaub gekostet hatte. Ich bin meiner Ausbildungsfirma, der
Firma Schaumann in Pinneberg, sehr dankbar, dass sie Verständnis
aufgebracht hat und mir eine Teilnahme dann doch möglich gemacht hat.
Der Lehrgang in Warendorf ging turbulent zu, wir hatten viel Spaß und der
Unterricht bei Herrn Karsten hat auch viel Spaß gemacht. Weniger glücklich
für mich verlief ein Geländetraining auf der Anlage der Familie Korte in
Telgte. Es ging mal wieder ums Wasser. Brilliante zögerte zunächst,
dachte dann aber wohl an unsere Diskussion in Heroldsbach und sprang noch
ab. Plumps lag ich im Wasser. Eigentlich war ich nur Ersatzreiter, da aber
einige Reiter bzw. Pferde doch noch ausfielen, durfte ich mitfahren nach
Achselschwang in Bayern.
In Achselschwang erwartete uns ein toller Geländekurs, mit guten
Bodenverhältnissen. Über das ganze Gesicht strahlend absolvierten
Brilliante und ich die Dressurprüfung - Sie war ruhig geblieben und ging
traumhaft für mein Gefühl.
Für den Geländeritt hatte ich mir eigentlich nur ein Ziel gesetzt, ich
wollte beide Wasserkomplexe meistern. In Gedanken war ich bestimmt hundert
mal das Anreiten des Wassereinsprungs durchgegangen, hatte mir jede Hilfe
und Reaktion genau überlegt. Als ich schließlich mit Brilliante
unterwegs war, merkte ich, dass sie richtig Spaß hatte. Sie legte ein
gutes Tempo vor, trotzdem beschleunigte ich zum Wasser sicherheitshalber
noch einmal. Das wäre jedoch gar nicht nötig gewesen, ohne jegliches Zögern
stürmte sie ins Wasser.

Bei der Adlerschwinge, die kurz darauf folgte hatte ich einen bangen
Moment: Einem Tiefsprung folgte auf zwei Galoppsprünge eine Spitze mit
Graben davor. Brilliante sprang den Tiefsprung gut, verharrte dann aber
vor dem Graben mit der Bürste dahinter. Ich überlegte schon abzuwenden,
als Rica dann plötzlich doch noch aus dem Stand zum Sprung ansetzte.
Begeistert von meinem Pferd ritte ich den Kurs in nur einer Sekunde über
Bestzeit zu Ende.
Nach dem Gelände lag ich in Führung. Brilliante war sehr nervös vor dem
Springen. Ich glaube sie hatte die Trainer damit auch etwas angesteckt.
Die waren nämlich aufgeregter als ich. Brilliante und ich ließen uns die
Führung jedoch nicht nehmen und legten eine Null-Fehler-Runde
vor.
Von allen Seiten wurde mir herzlichst gratuliert. Alle haben sich riesig
gefreut, das war toll. Die Meisterehrung war sehr würdevoll. Ich hatte
jedoch die ganze Zeit mit meiner Schärpe zu kämpfen, sie war andauernd
kurz vorm Wegfliegen. In diesem Momenten ahnte ich noch nicht was ich mir
mit dem Sieg noch eingehandelt hatte, hatte ich doch noch nie zuvor einen
Wassergraben von so nahe betrachtet bzw. gefühlt als an diesem Tag. Zwar
nass aber trotzdem überglücklich ging es dann weiter zur Sektbar. Sekt
gab es dort zwar nicht, aber jede Menge Champagner. Als ich meine Eltern
von weitem kommen sah, rief ich ihnen freudestrahlend entgegen:
"Mutter, es gibt nur Champagner, die Flasche kostet achtzig
Mark!" Ich weiß nicht ob meine Eltern das genauso begeisterte, aber
jedenfalls leerten wir ungefähr fünf an der Zahl.

Vor der endgültigen Heimreise trafen wir uns mit Reitern, Trainern und
Eltern ein letztes mal zum Essen. Jobst, Friedericke und Hendrik waren plötzlich
verschwunden, um so größer die Überraschung, als sie dann laut singend
unseren Lieblingssong "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere
Liebe nicht... " in neuer Version vortrugen:
Aus dem hohen Norden kommen wir
Und zu Anfang waren wir noch vier. Doch zu wieder dem Erwarten durften
zwei in D nur starten.
Aus dem hohen Norden kommen wir!
Blau, blau weiß rot
Wir saufen bis zum Tod
Wir feiern die Europameisterschaft
Blau, weiß rot oh...
Auch bei Joseph läufst nicht optimal.
Da wird selten mal ein Bierchen schal
Hat sich den Verstand versoffen
Und 11b nicht ganz getroffen
Das war ehrlich nicht so optimal
Refr.: Blau, blau...
Doch die vierte war dann unser Trumpf
Zog die andern aus dem Sumpf
Zog den Cup sich mit Brilliante,
ihrer kleinen Selbstzuchttante
ja die Inken das ist unser Trumpf
Refr.: Blau, blau...
Auf der Handelsschule man dich lehrt,
wie man gut und schnell sein Geld vermehrt,
sollst dein Titel nicht verkaufen,
um die Kohle zu versaufen,
Liebe Inken, das ist es nicht wert!
Refr.. Blau, blau ...
Für mich am schönsten an dieser Euro war eigentlich noch mehr als der
Sieg das Gefühl einer tollen Kameradschaft unter uns Reitern und mit den
Trainern.

Bisher hatte ich nur die Euro aus Brilliantes und meiner Sicht
geschildert. Leider war es aber so, dass es bei den meisten anderen
deutschen Reitern nicht so glücklich lief, wie erwartet. So waren wir mit
einer starken Mannschaft an den Start gegangen: Hendrik von Paepke, Maria
Mehrdorf, Andrea Korte und Miriam Bray.
Völlig unerwartet gab es jedoch mehrere Verweigerungen und Stürze und
leider konnten Friederikes und Hendriks Pferd nach der Rennbahn nicht mehr
die Q-Strecke antreten. Und obwohl jeder einzelne sicher unglücklich über
seine Leistungen war, haben sie sich riesig mit mir und Tina Richter, die
Bronze gewinnen konnte, gefreut. Das war das schönste Erlebnis der ganzen
Euro.
Zu
Hause erwartete mich ein herzlicher Empfang. Meine Vereinskollegen hatten
bis mitten in der Nacht ausgeharrt, um mir zu gratulieren. Ricas Box war
geschmückt mit Luftballons, Mohrrüben, Sekt und Blumen. Kurzerhand wurde
mit Familie und Reitverein eine Party organisiert. Bevor es so richtig ans
Feiern ging, nutzte ich noch schnell die Gelegenheit mich bei allen
herzlichst zu bedanken.
Es
ist toll gewesen, welche Freude ich bei meinen Freunden, Verwandten und
Bekannten ausgelöst hatte mit meinem Sieg. Unsere lokale Presse hatte
laufend über mein Training und die Sichtungsprüfungen berichtet. Es gab
viele, insbesondere Freundinnen meiner Omas, die alles genau verfolgt
haben und sich dann riesig mit mir gefreut haben.
Nach dieser schweren Prüfung trat Brilliante ihre wohlverdiente
Winterpause an.. In dieser Zeit war sich für mich wie ein Heiligtum, ich
wusste nicht wie ich ihr zurückgeben konnte, was sie mir gab.
Im Folgejahr stellte ich jedoch fest, das auch ein Heiligtum geritten
werden musste. Oft traute ich mich jedoch nicht so richtig Brilliante
konsequent zu arbeiten, ich möchte ihr auf keinen Fall ihren Willen
brechen. Das ist oft zum Leidwesen meiner Trainerin Caroline Hatlapa, denn
Brilliante hat einen eisernen, manchmal etwas andren Willen. Bei der
Dressur einigen Rica und ich uns deshalb meist auf einen Kompromiss.
Trotzdem
gelang es Frau Hatlapa doch so einiges zu verbessern. In Negernbötel
konnte ich in der Dressur Rang zwei hinter Hendrik von Paepke mit Amadeus
erreichen.
Im Gelände hatte ich dort eigentlich auch en ganz gutes Gefühl, war aber
weit über der Zeit geblieben. So ging es in diesem Jahr noch in mehrere
Kurzprüfungen. Besonders schnell waren wir in keiner Prüfung. Das änderte
sich jedoch im entscheidenden Moment: DM Junge Reiter 1996. Mit einem
unguten Gefühl war ich dorthin gefahren. Ich hatte Angst, sie könnte
nicht richtig fit sein, war sie doch in allen Sichtungen sehr langsam
gewesen.
In Walldorf, wo die Meisterschaft ausgetragen wurde, verwies Brilliante
mir dann jedoch Gegenteiliges. Sie ging eine Spitzenrunde, so dass wir
nach Dressur und Gelände an erster Stelle lagen.
Beim
abschließenden Springen durfte ich mir jedoch keinen Hindernisfehler
erlauben. Andrea Korte lag mir dich auf den Fersen. Als Letzte ritt ich in
den Parcours. A, neunten Sprung geschah dann ein Abwurf. Mich verwunderte
es selbst, dass ich mich nicht darüber ärgerte, hatte ich doch sonst
immer einen maßlosen Ehrgeiz. Aber mein erster Gedanke nach dem Abwurf
war: Atta hat's verdient, hatte sie doch mit ihrem Sturz in Achselschwang
genug Pech gehabt. Der zweite Gedanke war dann noch kurioser: Eigentlich
Glück gehabt, jetzt ist Atta an der Reihe eine Party zu geben. Völlig
zufrieden verließ ich also als Vizemeisterin den Parcours.

Diese Meisterschaft wurde begossen wie bisher noch keine. Die Holsteiner
Buschis hatten allesamt gute Erfolge zu feiern. Holsteins Eltern unser
Trainer Herr Peoer und natürlich wir Reiter waren an diesem Sonntag die
letzten die den Turnierplatz verließen: singend, betrunken, verrückt und
glücklich.

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